Kanzlei-Logo

Mitglied im ANWALTVerein

Sie befinden sich hier: home | Service | News | HANDELSRECHT

News

HANDELSRECHT: Hanseatisches OLG bestätigt: Handelsvertreterausgleichsanspruch auch im Falle der Desinvestition (hier: Verkauf der Tankstelle)

Im Rahmen einer weiteren Auseinandersetzung zu dem Themenkreis Handelsvertreterausgleichsanspruch konnten wir für unseren Mandanten einen weiteren Erfolg verbuchen:

Zwischenzeitlich wurde somit das stattgebende Urteil des Landgerichts Hamburg durch das hanseatische Oberlandesgericht als Berufungsinstanz bestätigt:

Der Umstand, dass die Mineralölgesellschaft die Tankstelle an eine andere Gesellschaft verkauft, führt nicht zum Entfallen des Handelsvertreterausgleichsanspruchs.

Was war passiert? Unser Mandant war lange Jahre Pächter einer Tankstelle und betrieb diese als Handelsvertreter für eine Mineralölgesellschaft.

Nachdem hier der zugrunde liegende Pachtvertrag ausgelaufen war, wollte sich die Mineralölgesellschaft von der Tankstelle trennen. Sie beendete das Vertragsverhältnis mit dem Tankstellenbetreiber noch zwei Monate vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist und verkaufte die aufstehenden Gebäude sowie die Tanktechnik an eine andere Mineralölgesellschaft.

Nachdem wir für unseren Mandanten den Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend gemacht haben, erwiderte die Mineralölgesellschaft, dass ein solcher nicht bestehe, da es aufgrund des obigen Sachverhalts keinen Unternehmensvorteil gebe.

Auch die vereinbarte Entschädigung für die vorzeitige Rückgabe der Tankstelle wollte sie dem Handelsvertreter nicht zahlen.

Im Rahmen des vor dem Landgericht Hamburg anhängigen gerichtlichen Verfahrens wurden sämtliche geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich zugesprochen. Das Gericht hielt sowohl den geltend gemachten Handelsvertreterausgleichsanspruch als auch die vereinbarte Entschädigung für die vorzeitige Rückgabe für berechtigt und sprach diese vollumfänglich zu.

Die Mineralölgesellschaft war hiermit nicht zufrieden und legte gegen das stattgebende Urteil Berufung ein.

Nunmehr wurde auch durch das Oberlandesgericht Hamburg durch sein Urteil vom 19.08.2021 bestätigt: Dem Kläger stehen die ausgeurteilten Ansprüche in vollem Umfange zu.

Die Beklagte kann sich demnach nicht darauf berufen, dass im Falle des Verkaufs kein Unternehmervorteil existiert und somit der Handelsvertreterausgleichsanspruch dem Grunde nach zu entfallen hat. Vielmehr ist anzunehmen, dass im Rahmen des vereinbarten Kaufpreises mit dem Nachfolgeunternehmen, auch dann, wenn die Übernahme des Kundenstammes – wie dies im vorliegenden Fall gegeben war – nicht ausdrücklich im Übernahmevertrag erwähnt ist, dieser Aspekt mit berücksichtigt wird.

Insoweit konnte die Beklagte auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass der Handelsvertreterausgleichsanspruch in jedem Falle auf die Summe des vereinbarten Kaufpreises mit dem Nachfolgeunternehmen beschränkt sei. Auch insoweit folgten die Gerichte vollumfänglich den klägerischen Ausführungen, wonach der Gesamtkaufpreis sich aus einer Vielzahl von einzelnen preisbestimmenden Faktoren zusammensetzt. Neben dem Wert der überlassenen Anlagegüter (aufstehende Gebäude und übergebene Tanktechnik) beinhaltet dieser auch andere Faktoren wie insbesondere die vom Veräußerer ersparten Rückbaukosten. Dass diese nicht unerheblich sind, dürfte allseits bekannt sein. Insoweit kann und muss angenommen werden, dass der Kaufpreis auch diesen negativen Faktor mit umfasst und insoweit der Aspekt des übertragenen Kundenstammes durchaus deutlich mehr wert sein kann als der zwischen den Mineralölgesellschaften ausgehandelte Übernahmepreis.

So war dies auch im vorliegenden Fall.

Darüber hinaus schuldet die Mineralölgesellschaft dem Handelsvertreter auch die Entschädigung für die um zwei Monate vorgezogene Übergabe der Tankstelle. Dies ergibt sich bereits aus § 615 BGB. Hieran ändert sich auch nichts durch die Tatsache, dass der Tankstellenpartner eine Vereinbarung unterschrieben hat, wonach er mit der vorzeitigen Rückgabe der Tankstelle einverstanden ist.

Mit einer derartigen Unterzeichnung hat der Tankstellenpartner nicht auf die Geltendmachung bestehender Rechte verzichtet.

Wir raten jedoch dringend zur Vorsicht: Gerade im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Ende eines Handelsvertreterverhältnisses versuchen Mineralölgesellschaften nicht selten, durch im ersten Anschein nach für den Tankstellenpartner positive Vereinbarungen, diesen zum Verzicht auf bestehende Rechte oder Ansprüche zu bewegen.

Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber zwingend vorgeschrieben, dass ein derartiger Verzicht im Hinblick auf den Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89 b HGB während des bestehenden Handelsvertreterverhältnisses unwirksam ist.

Aber Achtung: Für andere Ansprüche gibt es eine derartige Schutzvorschrift nicht.

Nicht selten kommen Mandanten zu uns, welche den vollständigen Regelungsgehalt einer derartigen Vereinbarung nicht erfasst haben. Im Nachhinein ist es dann oftmals schwierig, von einer derartigen nachteilhaften schriftlichen Vereinbarung wieder loszukommen.

Somit gilt zusammenfassend:

Lassen Sie sich nicht durch die pauschale Behauptung der Mineralölgesellschaft blenden, wonach – aus welchen Gründen auch immer – angeblich bereits dem Grunde nach kein Handelsvertreterausgleichsanspruch besteht.

Gerade da es im Rahmen des Handelsvertreterausgleichsanspruchs häufig um sehr hohe Summen geht, sollten Sie sich genau überlegen ob sie sich es wirtschaftlich leisten können eine derartige Aussage von der Stelle, welche im Falle des Bestehens eines Anspruches diesen zu zahlen hat, ungeprüft hinzunehmen.

Lassen Sie eine derartige Behauptung in jedem Fall von einem qualifizierten Anwalt prüfen.

und

Unterschreiben Sie gerade bei dem sich nähernden Ende des Tankstellenvertrages keinerlei Vereinbarungen mit der Mineralölgesellschaft, welche Sie nicht zuvor durch einen qualifizierten Anwalt haben umfassend überprüfen lassen.

Nicht selten verbergen sich hier Vereinbarungen, welche nur dem ersten Anschein nach zugunsten des Handelsvertreters ausgestaltet sind. Oftmals wird hier auf bestehende Rechte verzichtet, ohne dass es der unterzeichnende Tankstellenpartner erkennt.

Sollten Sie weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Handelsvertretung allgemein oder speziell dem Thema Handelsvertreterausgleichsanspruch haben, so zögern Sie nicht, unmittelbar mit uns Kontakt aufzunehmen.

Wir beraten Sie in einem ersten Gespräch unkompliziert und kostengünstig, ob und welche Erfolgsaussichten in Ihrem Falle gegeben sind.

Rufen Sie uns einfach an.

Stand 8/2021

Rechtsanwalt Nils Reimer

Zurück zu den Rechtsinfos

© 2005-2021 by Reimer Rechtsanwälte Erlangen.

Home  |  Kontakt  |  Impressum  |  Datenschutz

© 2005-2024 by REIMER RECHTSANWÄLTE Erlangen