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VERKEHRSRECHT: Immer wieder Neues zum Thema HANDY-VERBOT

Das seit seiner Entstehung viel diskutierte sog. Handyverbot für Fahrzeugführer kann zwar mittlerweile keinesfalls mehr als neu bezeichnet werden. Schließlich wurde es bereits Ende 2000 in die Straßenverkehrsordnung eingefügt.

Die Vorschrift ist jedoch seit ihres Bestehens oftmals Streitpunkt in vielen Bußgeldverfahren. Viele Verkehrsteilnehmer kennen den genauen Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht. Es kommt hinzu, dass die Rechtsprechung die Vorschrift über ihren unstreitigen Anwendungsbereich hinaus immer weiter ausdehnt.

Daher soll im Folgenden der Anwendungsbereich des Handyverbotes kurz skizziert werden.

Der Wortlaut

Der Wortlaut der Verbotsnorm unter § 23 Abs. 1a StVO lautet:

"Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist."

So einfach und eindeutig, wie dieser Paragraph auf den ersten Blick erscheint, ist dieser jedoch nicht.

Persönlicher Anwendungsbereich

Zunächst bleibt festzustellen, dass das Handy-Verbot nicht nur Autofahrer, sondern auch Fahrradfahrer betrifft. Dies ergibt sich aus der Wortwahl des Gesetzgebers, welcher allen "Fahrzeugführern" und nicht nur Kraftfahrzeugführern das Telefonieren verbietet. Dies ist oftmals unbekannt. Auch bei Fahrradfahrern kann das verbotswidrige Telefonieren während der Fahrt mit einem Bußgeld geahndet werden.

Sachlicher Anwendungsbereich

Sofern das Fahrzeug steht, kann telefoniert werden. Bei Kraftfahrzeugen gilt dies aber nur dann, wenn der Motor abgestellt ist. Auch dies ist vielfach unbekannt. So telefonieren viele während sie an einer roten Ampel stehen, da sie hier keine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs sehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut erfüllt das Telefonieren während der Rotphase einer Ampel, bei der regelmäßig der Motor weiterläuft, aber den Bußgeldtatbestand.

Verboten ist jedoch nur die Benutzung, bei der das Telefon aufgenommen wird, was beim klassischen "an das Ohr halten" des Mobiltelefons regelmäßig der Fall ist. Erlaubt ist daher das Telefonieren mittels einer Freisprecheinrichtung, wenn hierfür das Telefon nicht aufgenommen werden muss.

Nicht ausreichend ist der sog. "Knopf im Ohr", wenn für das Wählen der Telefonnummer oder die Annahme des Telefongesprächs dennoch das Mobiltelefon in die Hand genommen werden muss. Denn das Wählen der Nummer oder das Abheben sind als Vorbereitungshandlungen zum eigentlichen Telefonat mit vom Verbot umfasst. Eine Freisprecheinrichtung erlaubt daher nur dann das Telefonieren während der Fahrt, wenn diese neben der Übermittlung der Sprache vom und an den Fahrer auch das Mobiltelefon in einer festen Haltevorrichtung aufnimmt. Es muss dann eine "freihändige" Bedienung ermöglicht sein, d. h. der Fahrer muss neben dem für Anrufvorbereitung oder Anrufannahme erforderlichen Drücken von Knöpfen oder sonstigen Bedienelementen - etwa ein berührungsempfindliches Display - das Telefon selbst nicht halten.

Die Sanktion

Das verbotswidrige Benutzen eines Mobiltelefons wird bei Radfahrern mit einem Bußgeld in Höhe von 25,00 €, bei einem Autofahrer mit 40,00 € und einem Punkt im Verkehrszentralregister in Flensburg geahndet.

Die erweiterte Auslegung der Gerichte

Wer nach alledem glaubt, die Vorschrift verstanden zu haben und demnach zu wissen, was erlaubt ist und was nicht, der irrt. Er hat die Rechnung ohne die Gerichte gemacht. Diese glauben, dem Willen des Gesetzgebers durch eine weite Auslegung des Merkmals "Benutzen" Rechnung tragen zu müssen. Neben den vom Gesetzgeber als verbotswidrig betrachteten Nutzungen

haben die Gerichte zwischenzeitlich eine Vielzahl an anderen Nutzungen zu beurteilen gehabt. Dabei wurden unter anderem folgende Nutzungen von verschiedenen Gerichten als verboten beurteilt:

Ganz abgesehen von der Beurteilung, ob die vorgenannten Nutzungen die Sicherheit des Straßenverkehrs in gleicher Weise wie das Telefonieren beeinträchtigen, ist diese weitgehende Ausweitung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes aus folgendem Grund problematisch:

Wer während der Fahrt mit einem herkömmlichen Diktiergerät diktiert, der begeht keine Ordnungswidrigkeit; derjenige, der die Diktierfunktion seines Handys benutzt, schon. Ebenso ist das auf die Armbanduhr oder gar das auf die Taschenuhr sehen nicht bußgeldbewährt; wer dagegen auf die Uhr in seinem Mobiltelefon blickt, muss mit einem Bußgeld rechnen.

Mit anderen Worten ist die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten während der Fahrt, wie z. B. Diktieren oder auf die Uhr sehen, eine mit Bußgeld geahndete Verkehrsordnungswidrigkeit ist, von dem Umstand abhängig, ob das dabei genutzte Gerät neben der eigentlich genutzten Funktion, hier z. B. Diktier- oder Uhrzeitfunktion, auch zum Telefonieren geeignet ist. Diese Tatsache allein hat jedoch keinerlei Einfluss auf die Sicherheit des Straßenverkehrs und ist daher als sachgerechtes Abgrenzungskriterium untauglich.

Eine Taschenuhr oder ein Notizblock, welche vor der Benutzung gegebenenfalls noch aus einer Tasche hervorgekramt werden müssen, stellt sich wohl deutlich verkehrsgefährdender dar als ein kurzer Blick auf ein Handydisplay. Dies gilt im besonderen Maß, wenn in dem Notizblock unter Umständen vorher noch geblättert wird.

Diese Abgrenzung stellt sich daher als willkürlich dar. Dies muss um so mehr gelten, wenn nach Ansicht des Oberlandesgerichts Jena nach einem Beschluss vom 31.05.2006 (Az.: 1 Ss 82/06) ein Mobiltelefon mit Diktierfunktion auch dann nicht einem herkömmlichen Diktiergerät gleichgestellt ist, wenn aus dem Telefon die SIM-Karte entnommen wurde und dieses in diesem Zustand unter keinen Umständen zum Telefonieren genutzt werden kann.

Diese ausufernde Rechtsprechung ist daher zumindest in zweierlei Hinsicht bedenklich.

Zum einen ist im Hinblick auf das Erfordernis der Gleichbehandlung die willkürlich unterschiedliche Bewertung von gleichartigen Verhaltensweisen aus rechtsstaatlicher Sicht unvertretbar.

Zum zweiten gilt für sämtliche Verbotsnormen das sog. Bestimmtheitserfordernis, d. h. das Verbot muss dem Wortlaut nach dergestalt hinreichend bestimmt sein, dass der Normadressat, in diesem Fall jeder Fahrzeugführer, klar erkennen kann, was verboten und was erlaubt ist. Wenn die Entwicklung der Rechtsprechung dergestalt weiter verläuft, dass zukünftig immer mehr Handlungen, welche in irgendeinem Zusammenhang mit einem Mobiltelefon stehen, als verboten klassifiziert werden, ist dem - in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsmäßig verankertem - Bestimmtheitsgebot nicht mehr Genüge getan.

Über die derzeitige Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich wundert sich sowohl der juristische Laie als auch der Verkehrsrechtsexperte.

Lobend zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg. Dieses hat mit Beschluss vom 27.09.2006 (Az.: 3 Ss OWi 1050/06) entschieden, dass das Telefonieren während einer Rotphase der Ampel im Auto bei ausgeschaltenem Motor nicht den Tatbestand der verbotenen Handynutzung erfüllt. Eine derartige Ausdehnung der Bußgeldvorschrift - zudem entgegen des insoweit eindeutigen Wortlauts der Vorschrift (siehe oben) - sei mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar.

Ein klare und vor allem sachgerechte Abgrenzung, was in diesem Zusammenhang erlaubt ist und was nicht, ist hier dringend erforderlich. Die verschiedenen Obergerichte müssen hier zudem zu einer einheitlichen Praxis kommen, damit die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten bußgeldbewährt ist oder nicht, nicht von der Zufälligkeit des "Tatortes" abhängt. Dass bestimmte Handlungen in einem Oberlandesgerichtsbezirk erlaubt und im nächsten verboten sind, kann auf Dauer nicht hingenommen werden. Allein die derzeitige unklare und ungleichmäßige Behandlung derselben Vorgänge ist im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot bedenklich. Bis die Rechtsprechung hier eine angemessene und einheitliche Linie gefunden hat, ist jedem Verkehrsteilnehmer dringend anzuraten die Handybenutzung auf das geringst mögliche Maß zu beschränken. Dies ist nicht nur im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit, sondern auch im Interesse des eigenen Geldbeutels dringend anzuraten.

Wir wünschen gute und unfallfreie Fahrt.

Rechtsanwalt Nils Reimer

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