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VERBRAUCHERRECHT: EuGH entscheidet "Kein Wertersatz für Nutzungen bei Rückgabe mangelhafter Waren."

Lange Zeit war umstritten, ob ein Verbraucher verpflichtet ist, dem Verkäufer eines mangelbehafteten Verbrauchsgutes Wertersatz für die Nutzungen dieses Verbrauchsgutes bis zu dessen Austausch zu leisten.

Im konkreten Fall lieferte ein Versandhandelsunternehmen einer deutschen Verbraucherin im August 2002 ein Herd-Set. Anfang 2004 stellte die Verbraucherin fest, dass das Gerät mangelhaft war. An der Innenseite des zum Set gehörenden Backofens hatte sich die Emailleschicht abgelöst. Eine Reparatur war nicht möglich, so dass die Verbraucherin das Gerät an das Versandhaus zurück gab. Sie erhielt als Ersatz ein neues fehlerfreies Gerät. Daraufhin verlangte das Versandhaus jedoch von der Verbraucherin die Zahlung von 69,97 Euro als Wertersatz für die Vorteile, die sie aus der Nutzung des ursprünglich gelieferten Geräts gezogen hatte.

Dies nahm die Verbraucherin nicht hin. Sie ermächtigte schließlich den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, den an das Versandhaus bereits von ihr gezahlten Wertersatz an sie zurück zu fordern. Daneben wurde beantragt, das Versandhaus zu verurteilen, es zu unterlassen, im Fall einer Ersatzlieferung für eine dem Kaufvertrag nicht entsprechende Ware deren Nutzungen in Rechnung zu stellen.

Auf nationaler Ebene hatte letztinstanzlich der Bundesgerichtshof (BGH) in der Sache zu entscheiden. Er kam zum Ergebnis, dass nach deutschem Schuldrecht der Verkäufer im Fall der Ersatzlieferung für eine mangelhafte Sache Anspruch auf Wertersatz für die Vorteile habe, die der Käufer aus der Nutzung dieser Sache bis zu deren Austausch durch eine neue Sache gezogen habe.

Da der BGH jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit der Gemeinschaftsrichtlinie über die Verbrauchsgüter (Richtlinie 1999/44/EG) hatte, legte er dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Frage vor, ob die Bestimmungen der Richtlinie der Verpflichtung des Verbrauchers entgegenstehen, dem Verkäufer Wertersatz für die Nutzung eines vertragswidrigen Verbrauchsgutes zu leisten.

Mit Urteil vom 17. April 2008 entschied der Europäische Gerichtshof (C-404/06) schließlich diese Frage zugunsten der Verbraucher.

"Anders als der Verbraucher, der bereits den Kaufpreis gezahlt hat, erfüllt der Verkäufer eines nicht vertragsgemäßen Verbrauchsguts seine vertragliche Verpflichtung nicht ordnungsgemäß und muss daher die Folgen der Schlechterfüllung tragen."

Der Gerichtshof erinnerte zunächst daran, dass nach dem Wortlaut der Richtlinie der Verkäufer dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit hafte, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts besteht. Sollte ein Fall der Vertragswidrigkeit eintreten, so könne der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsguts oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern nicht die Erfüllung seiner Forderung unmöglich oder die Forderung unverhältnismäßig sei.

Der EuGH stellte zudem fest, dass die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch den Verkäufer den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen solle, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davor abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen. Die in besagter Richtlinie geforderte Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes entspräche auch dem Zweck, mit der ein Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus geleistet werden solle. Die finanziellen Interessen des Verkäufers seien hinreichend durch die Verjährungsfrist von zwei Jahren und zum anderen durch die Möglichkeit geschützt, die Ersatzlieferung zu verweigern, wenn sich diese Abhilfe als unverhältnismäßig erweise, weil sie ihm unzumutbare Kosten verursachen würde.

Diese Entscheidung des EuGH hat weitreichende Folgen, die nicht lediglich für Juristen interessant sein dürften. Denn jeder Bürger schließt in der Regel tagtäglich mehrere Kaufverträge ab. Hier kann es ab und an durchaus vorkommen, dass der Kaufgegenstand mangelhaft ist und es zu einer Nachlieferung einer neuen Sache kommt.

Müsste man nun in einem solchen Fall stets damit rechnen, dass der Verkäufer Wertersatz für Nutzungen verlangen darf, die bis zum Rückgabezeitpunkt getätigt wurden, so dürfte dies viele Verbraucher davon abhalten, ihr Recht auf Nacherfüllung in der Variante der Nachlieferung geltend zu machen. Denn oftmals ist es für den Käufer überhaupt nicht absehbar, wie hoch der Nutzungsersatz ausfallen wird. Das Urteil ist aus Verbrauchersicht also grundsätzlich zu begrüßen. Es muss nun auf der nationalen Ebene geprüft werden, ob das deutsche Recht doch noch europarechtskonform ausgelegt werden kann. Gelingt dies nicht, so muss der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass das deutsche Verbraucherrecht an europäische Maßstäbe angepasst wird.

Daneben bleiben noch weitere Fragen offen, die zukünftig zu klären sein werden; wie beispielsweise diejenige, ob der Verbraucher zumindest dann Nutzungsersatz zu zahlen hat, wenn er die Mangelhaftigkeit der Kaufsache erkannt hat, das Verbrauchsgut aber weiter benutzt.

Rechtsanwalt Nils Reimer

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