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STEUERRECHT: Kürzung der Pendlerpauschale verfassungswidrig

Nachdem die Fachgerichte überwiegend bereits ihre Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Kürzung der Pendlerpauschale kundgetan haben, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner seit langem mit Spannung erwarteten Entscheidung diese Zweifel jetzt am 09.12.2008 bestätigt.

Nachdem die Finanzgerichte Niedersachsens sowie des Saarlandes und der Bundesfinanzhof die Frage zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt haben, hat der Zweite Senat die gesetzliche Neuregelung als nicht verfassungskonform beurteilt. Demnach ist die Neuregelung mangels verfassungsrechtlich tragfähiger Begründung mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG an eine folgerichtige Ausgestaltung einkommensteuerrechtlicher Belastungsentscheidungen nicht vereinbar und verfassungswidrig.

Während nach der alten (vor 2007 geltenden) Regelung die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten (oder Betriebsausgabe) in Höhe von zuletzt 0,30 € pro Entfernungskilometer einkommensteuermindernd geltend gemacht werden konnte, war dies nach der seit Anfang 2007 geltenden Neuregelung nicht mehr möglich. Zur Ereichung einer Haushaltskonsolidierung wurde durch den Gesetzgeber bestimmt, das nunmehr die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Privatausgabe zu qualifizieren seien. Folglich können diese seither nicht mehr als Werbungskosten oder Betriebsausgabe durch den Steuerpflichtigen geltend gemacht werden. Lediglich für Steuerpflichtige, welche einen besonders weiten Arbeitsweg haben, sieht das Gesetz ab dem 21. Entfernungskilometer eine Absetzbarkeit wie Werbungskosten vor. Auch für die Fernpendler bleibt es bei der grundsätzlichen Nichtabsetzbarkeit der Fahrtkosten. Die Regelung stellt lediglich einen Härteausgleich dar.

Wir hatten Sie an dieser Stelle in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Entscheidung der Finanzgerichte des Saarlandes und Niedersachsens bereits auf die schlagwortartig als "Werkstorprinzip" bezeichneten Systemwechsel hingewiesen.

Wie der entsprechenden Pressemitteilung Nr. 103/2008 des Verfassungsgerichts vom 09.12.2008 zu entnehmen ist, erfüllt die Neuregelung nicht die erforderlichen Anforderungen an den Gleichheitsgrundsatz. Nach dem Einkommensteuerrecht richtet sich die Besteuerung nach dem sog. objektiven Nettoprinzip, d.h. die Höhe der Einkommensteuer richtet sich nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Diese ist aus dem Nettoeinkommen zu bemessen, welches sich aus der Höhe der Einnahmen abzüglich beruflich oder betrieblich veranlasster Aufwendungen ergibt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Ausgabe insoweit (steuermindernd) in Abzug zu bringen ist, ist der Veranlassungszusammenhang.

Sind Ausgaben beruflich oder betrieblich veranlasst, so sind diese auch steuermindernd zu berücksichtigen.

Die Abkehr von diesem Prinzip und der Übergang zum Werkstorprinzip, wonach nunmehr die räumliche Entfernung über die Abzugsfähigkeit der Fahrtkosten entscheidet, ist ein Einzelfall im Rahmen des Einkommensteuerrechts. Dieser Systemwechsel wurde vom Gesetzgeber nicht hinweichend begründet. Als Gründe wurden in der Vergangenheit folgende Aspekte anerkannt: Außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse.

Hingegen rechtfertigt allein das Ziel der Einnahmenerhöhung einen derartigen Wechsel nicht. Der Neuregelung fehlt es demnach am sachlichen Grund. Eine Abkehr vom Veranlassungsprinzip ist nicht schlichtweg ausgeschlossen. Allerdings müsse dieser sachlich gerechtfertigt sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Gesetzgeber darf bei der Verfolgung des berechtigten Ziels der Haushaltskonsolidierung hierüber nicht die Maßstäbe für eine gerechte Steuerverteilung aus den Augen verlieren.

Da auch keine anderen sachgerechten Gründe für die gesetzliche Neuregelung angeführt werden können, ist die Regelung verfassungswidrig.

Auch die Härteklausel, dass ab dem 21. Entfernungskilometer eine Absetzbarkeit erlaubt ist, ist mangels plausibler Härtekriterien nicht gerechtfertigt. Hierdurch kommt eine widersprüchliche Verbindung und Verschränkung unterschiedlicher Regelungsgehalte und Regelungsziele zum Ausdruck, so dass nicht davon auszugehen ist, dass die Neuregelung auf einer übergreifenden Konzeption beruht. Hierdurch werden gerade lange Fahrten zur Arbeit im Verhältnis zu kurzen Fahrten privilegiert, da bei ersteren im Ergebnis zumindest eine teilweise Berücksichtigung gewährt wird. Gerade das verkehrs- und umweltpolitisch weniger erwünschtes Verhalten nämlich das entfernte Wohnen wird belohnt, während die Entscheidung für nahes Wohnen am "Werkstor" zielwidrig benachteiligt wird.

Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, welche rückwirkend zum 01.01.2007 eine verfassungskonforme Regelung schaffen muss, gilt vorläufig die unbeschränkte Absetzbarkeit ab dem ersten Entfernungskilometer.

Ob sich der Gesetzgeber im Rahmen einer Neuregelung tatsächlich zur Rückkehr zur alten Regelung entschließt oder ob dieser eine andere Neuregelung anstrebt, muss nun abgewartet werden.

Stand 12/2008

Rechtsanwalt Nils Reimer

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