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VERKEHRSRECHT: Das Quotenvorrecht - warum viele Unfallgeschädigte Geld verschenken

Im Rahmen von Verkehrsunfallabwicklungen kommt es bei einer Mitschuld oft zu gravierenden Fehlern, welche den Geschädigten bares Geld kosten. Vielfach wird der Grundsatz des sog. Quotenvorrechts nicht beachtet, so dass nicht die optimale Schadensabwicklung vorgenommen wird.

Beispiel: Es kommt zu einem Verkehrsunfall. Nach (zutreffender) Beurteilung der Verursachungsbeiträge haben beide Unfallbeteiligte hälftig den Unfall verursacht. Es stellt sich die Frage, wie der vollkaskoversicherte Geschädigte nun seinen Unfall abwickeln soll.

A. Sollte der Schaden von der gegnerischen Haftpflichtversicherung eingefordert werden?
Nachteil: Die Versicherung wird nur die Hälfte des entstandenen Schadens bezahlen.

B. Sollte der Schaden besser von der eigenen Kaskoversicherung reguliert werden?
Nachteil: Die Kaskoversicherung wird die vertragliche Selbstbeteiligung abziehen, es werden nicht alle Schadenspositionen beglichen und es entsteht in der Regel ein Rückstufungsschaden.

Beide Vorgehensweisen wären falsch!

C. Richtig ist in aller Regel allein die kombinierte Abrechnung gegenüber der Kaskoversicherung und der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Das Vorgehen ist zugegebenermaßen meist kompliziert. Nur durch diese Vorgehensweise kann für den Geschädigten das wirtschaftliche Optimum erzielt werden.

Fortsetzung des Beispiels:

Fahrzeugschaden                5.000,00 €    Selbstbeteiligung Kasko   300,00 €
Abschleppkosten	                 500,00 €	   Rückstufungsschaden Kasko
Sachverständigenkosten           600,00 €                              250,00 €
Mietwagenkosten                  450,00 €

Achtung: Oftmals entstehen noch weitere Schadenspositionen, welche ebenfalls bei der Berechnung mit zu berücksichtigen sind. Allein aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden die Schadenspositionen auf die vorgenannten Punkte beschränkt.

Sofern Sie also die Abrechnungsvariante A (Regulierung gegenüber der gegnerischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung) gewählt haben, erfolgt die Abrechnung folgendermaßen:

Fahrzeugschaden                5.000,00 €
Abschleppkosten                  500,00 €
Sachverständigenkosten           600,00 €
Mietwagenkosten                  450,00 €
Summe                          6.550,00 €

mal Haftungsquote (50%)        3.275,00 €

Es entsteht somit bei dieser Abrechnungsvariante ein Fehlbetrag in Höhe von 3.275,00 €, auf welchem der Geschädigte sitzen bleibt.

Bei der Abrechnungsvariante B (Abrechnung gegenüber der eigenen Kaskoversicherung) sieht die Abrechnung wie folgt aus:

Fahrzeugschaden                5.000,00 €
abzüglich Selbstbeteiligung   ./.300.00 €
Summe                          4.700,00 €

abzüglich Rückstufungsschaden    250,00 €

                               4.450,00 €
Symbolbild Unfall

Die Abschleppkosten, die Sachverständigenkosten sowie die Mietwagenkosten werden in aller Regel nicht von der Vollkaskoversicherung übernommen. Diese zahlt primär nur den Fahrzeugschaden.
Es verbleiben somit 300,00 € des Fahrzeugschadens zuzüglich 250,00 € Rückstufungsschaden (diejenigen Mehrkosten, die der Geschädigte aufgrund der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung in der Folgezeit an höheren Prämien an seine Kaskoversicherung zahlen muss) sowie 500,00 € Abschleppkosten, 600,00 € Sachverständigenkosten und 450,00 € Mietwagenkosten beim Geschädigten.

Es verbleiben somit 2.100,00 €, welche vom Geschädigten getragen werden müssen.

Hingegen stellt sich die Abrechnung bei der kombinierten Inanspruchnahme von Vollkaskoversicherung und Haftpflichtversicherung (Abrechnungsvariante C) wie folgt dar:

Fahrzeugschaden                5.000,00 €
Abschleppkosten                  500.00 €
Sachverständigenkosten           600,00 €
Zwischensumme
(kongruenter Schaden)          6.100,00 €

abzüglich Zahlung Kasko        4.700,00 €
                               1.400,00 €

Man könnte nun meinen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung vom verbleibenden kongruenten Schaden entsprechend der Haftungsquote 50 % zahlen müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Tatsächlich muss die gegnerische Haftpflichtversicherung den Teil des verbleibenden kongruenten Schadens ersetzen, welchen diese auch zu ersetzen hätte, wenn keine Kaskoversicherung in Anspruch genommen worden wäre. Es wären dann 3.050,00 € (50 % von 6.100,00 €) von der Haftpflichtversicherung zu zahlen.

Somit muss die gegnerische Pflichtversicherung die komplette Restsumme in Höhe von 1.400,00 € zahlen, da dieser Betrag niedriger ist als die Summe, welche die Versicherung bei nicht bestehender Kaskoversicherung zahlen müsste.

Die gegnerische Haftpflichtversicherung zahlt somit die gesamten 1.400,00 €. Von dem verbleibenden Restschaden (inkongruenter Schaden) muss die Haftpflichtversicherung nur nach der Haftungsquote zahlen.

Mietwagenkosten                 450,00 €
Rückstufungsschaden             250,00 €
Summe                           700,00 €

mal Haftungsquote (50%)         350,00 €

Nach dieser kombinierten Regulierungsvariante verbleibt somit nur die Hälfte des inkongruenten Schadens 350,00 € beim Geschädigten.

Bei diesem (zur Veranschaulichung stark vereinfachten) Beispiel zeigt sich deutlich, dass die kombinierte Abrechnung zu dem mit Abstand günstigsten Ergebnis für den Geschädigten führt. Dieser muss im Beispiel nur 350,00 € tragen, obwohl ihm die hälftige Verursachung am Unfall angelastet werden kann.

Dabei sind bei der Quotenabrechnung noch einige weiteren Problempunkte zu beachten. Neben dem immer wieder auftretenden Streitpunkt, welche Schadenspositionen kongruent sind und welche zu den inkongruenten Schadenspositionen gehören, ist auch zu berücksichtigen, dass zum Beispiel der Rückstufungsschaden der Kaskoversicherung in aller Regel nicht einfach entsprechend der Berechnung von der gegnerischen Haftpflichtversicherung eingefordert werden kann, da dieser Schaden erst im Laufe der weiteren Entwicklung des Versicherungsvertrages entsteht.
Spätestens bei der gerichtlichen Geltendmachung ist dieser Umstand zwingend zu berücksichtigen.

Wie dieses Beispiel anschaulich machen soll, ist es in jedem Falle ratsam, sich hier eines versierten Anwalts zu bedienen. Bei, Unterbleiben der Berücksichtigung des Quotenvorrechts oder bei unrichtiger Abrechnung verschenkt der Geschädigte ansonsten bares Geld.

Aber Achtung: Nicht immer ist die kombinierte Abrechnung die wirtschaftlich sinnvollste Lösung. Man muss dies stets anhand der konkreten Zahlen des jeweiligen Schadensfalles genau durchrechnen.
Insbesondere ein verhältnismäßig niedriger Fahrzeugschaden, eine ungünstige Haftungsquote, eine hohe Selbstbeteiligung bei der Vollkaskoversicherung oder ein besonders hoher Höherstufungsschaden können dazu führen, dass die kombinierte Abrechnung im Einzelfall nicht die wirtschaftlich sinnvollste Lösung ist.

Ein kompetenter Anwalt wird hier dafür Sorge tragen, dass er im Vorfeld die zur Berechnung erforderlichen Informationen erhält und anhand dieser den Schadensfall genau durchrechnet. Erst hiernach kann korrekterweise entschieden werden, welche der oben genannten Abrechnungsvarianten im konkreten Einzelfall die wirtschaftlich sinnvollste Lösung ist.

Wenn Sie die Einzelheiten der Abrechnung nicht nachvollziehen konnten, so ist dies nicht schlimm, schlimm ist es hingegen, wenn Ihr Anwalt das so genannte Quotenvorrecht nicht kennt.

Stand 09/2015

Rechtsanwalt Nils Reimer

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