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VERFASSUNGSRECHT: Sind alle Bundesverfassungsrichter Raucher?

Diese Frage könnte man sich stellen, wenn man vom heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts hört. Jedoch hat das Verfassungsgericht keineswegs dem Nichtraucherschutz eine Absage erteilt oder gar Rauchern den Rücken gestärkt.

Auf die Beschwerden von zwei Kneipenbesitzern und eines Diskothekenbetreibers hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 30.07.2008 die Gesetze zum Nichtraucherschutz der Bundesländer Berlin und Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt (Az: 1 BvR 3262/07; 1 BvR 402/08; 1 BvR 906/08).

Die Karlsruher Richter betonten jedoch, dass ein striktes und ausnahmsloses Rauchverbot in allen Lokalen mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Der Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren ist ein "überragend wichtiges Gemeinwohlziel", welches eine derartige Maßnahme rechtfertige. Da die zu überprüfenden Gesetze jedoch das Rauchen in separaten Raucherzimmern gestatten, liegt hierin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung kleinerer Kneipen und Lokale. Da diese meist keinen Platz für separate Raucherräume haben, mussten diese seit Einführung der gesetzlichen Regelung erhebliche Umsatzrückgänge verzeichnen. Rauchende Gäste wanderten zu Lokalen mit separaten Raucherräumen ab.

Die zu überprüfenden gesetzlichen Regelungen seien daher unverhältnismäßig und verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Berufsfreiheit.

Die entsprechenden Bundesländer haben nun bis Ende 2009 Zeit, um eine verfassungsmäßige Gesetzesregelung zu schaffen. Bis dahin gilt jedoch eine Ausnahme für zugunsten der "getränkegeprägten Kleingastronomie". Einräumige Trinkkneipen (d.h. solche ohne zubereitetes Speisenangebot) mit weniger als 75 m² Gastfläche, zu denen Jugendlichen keinen Zutritt gewährt wird, sind vom Rauchverbot ausgenommen. Die Kneipen müssen auch im Eingangsbereich als "Rauchergaststätte" gekennzeichnet sein.

Auch für Diskotheken gilt bis zu einer Neuregelung des Rauchverbots die Sonderregelung, dass, sofern nur Personen ab 18 Jahren Zutritt zur Diskothek haben, dort ein Raucherraum ohne Tanzfläche eingerichtet werden darf.

Die Landesgesetzgeber müssen sich daher der grundsätzlichen Frage stellen, ob sie eine verfassungskonforme Regelung im Wege eines generellen Rauchverbots ohne Ausnahmen und daher ohne eine daraus resultierende Ungleichbehandlung kleinerer Lokale oder aber entsprechende dem Gleichheitsgrundsatz konforme Ausnahmeregelungen für kleine Kneipen einführen wollen.

Da viele Bundesländer ähnliche Regelungen wie Berlin und Baden-Württemberg haben, dürfte die heutige Entscheidung auch Auswirkungen auf andere Bundesländer haben.

Derzeit dürften wohl nur die Gesetze in Bayern und im Saarland verfassungskonform sein. Während in Bayern ein striktes Rauchverbot in Gaststätten und Bierzelten gilt, darf im Saarland außer in "abgeschlossenen und belüfteten Nebenräumen" auch in "inhabergeführten Gaststätten" geraucht werden. Mit der strikten Regelung in Bayern, welche auch Rauchernebenräume verbietet, sollte gerade der vorliegend vom Verfassungsgericht bemängelten Ungleichbehandlung und der damit einhergehenden Wettbewerbsbenachteiligung kleinerer Kneipen Rechnung getragen werden. Die übrigen Bundesländer haben mit den beiden als verfassungswidrig eingestuften Gesetzen Berlins und Baden-Württembergs vergleichbare gesetzliche Regelungen, weshalb sich diese nun wohl in die eine oder andere Richtung entscheiden müssen: Totalverbot oder gleichheitsgerechte Ausnahmen für Kleinkneipen.

Zwei der acht Senatsmitglieder gaben ein abweichendes Sondervotum ab, wovon eines die Rechtmäßigkeit eines Totalrauchverbotes - wie dies derzeit in Bayern existiert - mangels Verhältnismäßigkeit in Frage stellt. Hierüber hatte Gericht heute jedoch (noch) nicht zu entscheiden.

Stand 07/2008

Rechtsanwalt Nils Reimer

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