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HANDELSRECHT: Voller Handelsvertreterausgleich trotz Desinvestition

Vor dem Landgericht Hamburg konnten wir jüngst für zwei weitere Mandanten einen Handelsvertreterausgleichsanspruch erstreiten, obwohl die Tankstelle von der Mineralölgesellschaft desinvestiert wurde.

Was war passiert? Das Mineralölunternehmen hat in beiden Fällen den Pächtern gekündigt und hiernach die Tankstelle, d. h. die aufstehenden Gebäude sowie die Tanktechnik an ein anderes Mineralölunternehmen verkauft.

Den Pächtern wurde jeweils der Handelsvertreterausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB verweigert mit der Begründung, dass aufgrund der Veräußerung keinerlei unternehmerischer Vorteil bei der Mineralölgesellschaft verblieben wäre. Diese Auffassung vertrat die Mineralölgesellschaft auch im gerichtlichen Verfahren.

Das Landgericht Hamburg attestierte dieser nunmehr: Zu Unrecht!

Das Gericht urteilte ganz klar, dass der vom Handelsvertreter geworbene Kundenstamm von der Mineralölgesellschaft weiterhin genutzt werden kann. Ob diese den so geworbenen Kundenstamm tatsächlich nutzt oder nicht, ist ihre eigene Entscheidung.

Das Gericht führt insoweit in den Urteilsgründen zutreffend aus:

(...)Die Beklagte hätte also, ohne die Kündigung des Vertrages, bei der Fortsetzung des Tankstellenbetriebes im fünfjährigen Prognosezeitraum aufgrund der Tätigkeit der Klägerin einen entsprechenden Vorteil erzielt. Der Ausgleich dieses Vorteils entfällt nicht deswegen, weil die Beklagte sich entschlossen hat, den Betrieb der Tankstelle aufzugeben und stattdessen deren Einrichtungen an eine andere Mineralölgesellschaft zu verkaufen. Auszugehen ist für die Entscheidung der Frage, ob die Beklagte wegen der Veräußerung der Tankstelleneinrichtung und der erfolgten Einstellung des Tankstellenbetriebes mit Erfolg einwenden kann, Vorteile aus dem vom Kläger aufgebauten Stammkundengeschäft nicht mehr erzielt zu haben, zunächst vom Wesen, Sinn und Zweck des Ausgleichsanspruchs. Es geht nicht darum, den Handelsvertreter an einem Einkommen teilhaben zu lassen, welches der Unternehmer nach Ende des Handelsvertretervertrages tatsächlich mit dem vom Handelsvertreter überlassenen Kundenstamm erzielt, sondern um ein gesetzlich vorgeschriebenes und auf einer Prognose beruhendes Entgelt dafür, dass der Handelsvertreter dem Unternehmer die Chance verschafft hat, mit dem überlassenen Kundenstamm weitere Gewinne zu erzielen. Mit dem Ausgleichsanspruch wird nicht der Erfolg, sondern die Chance vergütet, die erfolgreich zu verwirklichen Aufgaben und Obliegenheiten des Unternehmers ist. Wie der Unternehmer diese Chance nutzt, ist seine Sache und das allein von ihm zu tragende Risiko (...).

[Hervorhebungen durch den Autor]

Der Begründung des Gerichts ist vollumfänglich zu folgen. Das Gericht vertritt hier auch die von uns seit langem vertretene Auffassung, dass eine Desinvestitionen eine Entscheidung der Mineralölgesellschaft ist, welche in keinem Fall zulasten des (als zwingenden Anspruch ausgestalteten) Handelsvertreterausgleichsanspruchs sich auswirken darf.

Ansicht Landgericht Hamburg Portal schräg nach oben

Das Gericht hat daher in beiden Fällen den von uns geltend gemachten Handelsvertreterausgleichsanspruch in vollem Umfang zugesprochen.

Bemerkenswert ist auch noch, dass in beiden Fällen sich die Mineralölgesellschaft darüber hinaus – zu Unrecht, wie das Landgericht Hamburg ebenfalls urteilte – geweigert hat, einen angebotenen Ausgleich für die vorzeitige Rückgabe der Tankstelle zu zahlen.

Die Mineralölgesellschaft hatte den Pächtern vor Beendigung des Tankstellenvertrages ein zu unterzeichnendes Dokument vorgelegt, in welchem eine Zahlung in etwa in Höhe des entgangenen Gewinns für den Zeitraum der vorzeitigen Abgabe von 2 Monaten angeboten wurde. In dem vorformulierten Dokument sollte der Handelsvertreter jedoch auch auf den Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89 b HGB verzichten. Infolgedessen war den Tankstellenpächtern die Unterzeichnung dieses Dokuments aus rechtlichen Gründen nicht anzuraten. Von beiden Tankstellenpächtern wurde das Dokument daher nicht unterzeichnet, was in der Folge dazu führte, dass die Mineralölgesellschaft die Zahlung verweigerte. Nach deren Auffassung wäre die Zahlung nur dann zu leisten, wenn das Dokument unterzeichnet worden wäre.

Auch insoweit befand sich die Beklagte nicht im Recht. Der Tankstellenpartner ist bei vorzeitiger Vertragsauflösung so zu stellen, wie er stünde, wenn das Vertragsverhältnis ordnungsgemäß bis zum fristgerechten Kündigungstermin fortgeführt worden wäre.

Insoweit sprach das Gericht auch beiden Pächtern die entsprechende Summe vollumfänglich zu.

Dieses Beispiel zeigt abermals, wie wichtig frühzeitige und kompetente Rechtsberatung gerade im Bereich des Handelsvertreterrechts ist. In unserer Beratungspraxis müssen wir leider immer wieder feststellen, dass es vielmehr die Regel als die Ausnahme ist, dass Mineralölgesellschaften Handelsvertreter mit vorgefertigten Erklärungen anscheinend eine Leistung zukommen lassen. Im Rahmen des weiteren Textes sind jedoch zum Teil wesentliche Nachteile für den Handelsvertreter enthalten, welche dann gleich mit vereinbart werden. Viele Handelsvertreter erkennen diese Nachteile nicht. Im Ergebnis stehen Handelsvertreter daher bei Unterzeichnung derartiger Vereinbarungen oft schlechter als zuvor.

Hiergegen hilft nur frühzeitige und kompetente Rechtsberatung eines jeden Pächters. Sie müssen sich immer vor Augen führen, dass jedes Mineralölunternehmen über eine hochspezialisierte Rechtsabteilung verfügt, welche tagtäglich mit derartigen Fragen zu tun haben.

Ohne ausreichende und qualifizierte rechtliche Beratung haben Sie, selbst als erfahrener Unternehmer, in aller Regel keine Chance Ihre Ihnen zustehenden Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.

Hätten die beiden Tankstellenpartner die Vereinbarung unterschrieben, so hätten diese die vereinbarte Abstandssumme in Größenordnung zwischen rund 8.000,00 € und 10.000,00 € zwar vermutlich erhalten, jedoch im gleichen Atemzug durch eine Vereinbarung, welche selbstverständlich nach Rückgabe der Tankstelle nochmals vom Tankstellenpartner gegenzuzeichnen gewesen wäre, auf den deutlich höheren Handelsvertreterausgleichsanspruch in einer Größenordnung zwischen rund 90.000,00 € und 100.000,00 € verzichtet.

Es zeigt sich wieder mal: In der heutigen Zeit hat niemand etwas zu verschenken. Dies gilt insbesondere auch für Mineralölkonzerne.

Bleiben Sie daher wachsam und werden Sie skeptisch, sofern gerade in der Endphase des Handelsvertretervertrages die Mineralölgesellschaft Ihnen – zumindest auf den ersten Blick – ein verlockendes Angebot macht. Eine Unterzeichnung ohne vorherige qualifizierte und umfassende rechtliche Prüfung sollte daher in keinem Fall vorgenommen werden.

Gerne beraten wir auch Sie bei Ihren ganz speziellen Problemen mit Ihrer Mineralölgesellschaft. Nehmen Sie einfach unverbindlich mit uns Kontakt auf und besprechen Sie Ihre Angelegenheit.

Stand 8/2020

Rechtsanwalt Nils Reimer

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