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EDV-RECHT: Weiterhin Verwirrung bezüglich Widerrufsbelehrung bei Internetauktionen

Die Unklarheiten im Zusammenhang mit Widerrufsbelehrungen bei Internetauktionen halten an. Dass gewerbliche Händler als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB einen Verbraucher auf das Bestehen eines Widerrufsrechts hinweisen müssen, ist dabei unstreitig. Damit enden aber auch schon weitgehend die unstreitigen Themengebiete. Folge sind teilweise massenhaft versandte Abmahnungen wegen Wettbewerbsverstößen an Unternehmer, welche sich bis zu diesem Zeitpunkt des Problems nicht bewusst waren.

Sowohl hinsichtlich der Frage wie lange ein derartiger Widerruf möglich ist, als auch die Frage was von wem in welchem Umfang bei erfolgtem Widerruf zurückzugewähren ist, ist umstritten.

Knackpunkt ist, dass bei Internetauktionen eine Belehrung in Textform vor Vertragsschluss nicht möglich ist. Bei den Internetauktionen handelt es sich rechtlich gesehen um Kaufverträge. Eine Belehrung in Textform vor Vertragsschluss scheitert daran, dass das Einstellen des Artikels als Angebot und das "Ersteigern" die Annahme dieses Angebotes ist. Sobald der Käufer bis zum Zeitablauf des Angebots das höchste Kaufgebot abgegeben hat oder aber zum angebotenen Preis den Artikel über Sofortkauf erwirbt, kommt der Kaufvertrag zustande. Jede daraufhin zugesandte E-Mail ist daher nicht mehr vor und auch nicht gleichzeitig mit Zustandekommen des Kaufvertrages. Die E-Mail, welche das Formerfordernis der Textform im Sinne des § 126b BGB erfüllt, trifft erst nach Vertragsschluss beim Käufer ein.

Der Zeitpunkt der Belehrung über das Widerrufsrecht hat jedoch Auswirkungen auf die Dauer der Widerrufsfrist. Diese beträgt grundsätzlich 2 Wochen (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB). Abweichend von dieser Grunddauer beträgt die Widerrufsfrist jedoch einen Monat, sofern die Belehrung erst nach Vertragsschluss (in Textform) mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Zwischen den verschiedenen Gerichten ist weiterhin streitig, ob die Belehrung im Rahmen des Auktionsangebots selbst die Textform erfüllt. Die zweiwöchigen Belehrungen wären somit zutreffend. Die Frage ist zwischen den verschiedenen Gerichten nach wie vor ungeklärt. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht derzeit noch aus. Zum Teil wird von Gerichten die Auffassung vertreten, dass die Angaben ausreichen, wenn der Käufer die Möglichkeit hat, diese zu speichern oder auszudrucken (so etwa LG Paderborn Urteil v. 28.11.2006 - Az.: 6 O 70/06).

"Dessen Schutzbedürfnis an einer dauerhaften Verfügbarkeit der Informationen wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er sich die Informationen ohne besonderen Aufwand ausdrucken und abspeichern kann zumal sie bei einem Zuschlag (Kauf) zusammen mit dem Angebot noch 90 Tage auf der eBay-Plattform gespeichert und für ihn abrufbar bleiben."

Die überwiegende Ansicht der Gerichte, allen voran das Kammergericht Berlin (Beschluss v. 05.12.2006 - Az.: 5 W 295/06; Beschluss v. 18.07.2006 - Az.: 5 W 156/06) sowie das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Urteil v. 24.08.2006 - Az.: 3 U 103/06) ist jedoch der Meinung, dass allein die Angaben im Angebotstext nicht die Textform wahren.

Diese Meinungsunterschiede der verschiedenen Gerichte gehen zu Lasten der Abgemahnten. Denn bei Wettbewerbsverstößen im Internet hat der Abmahnende die freie Wahl unter den verschiedenen Gerichten, da sich ein solcher Verstoß in ganz Deutschland auswirken kann. Da das Internet bundesweit vorhanden ist, bestehen für den Kläger bzw. Anspruchsteller keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Gerichtswahl. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem sog. "fliegenden Gerichtsstand". Der Abmahnende wird daher seine einstweilige Verfügung sicherlich nicht vor einem bekanntermaßen abmahnunfreundlichen Gericht einreichen.

Neben Streitigkeiten hinsichtlich der Tatbestandsseite, d. h. der Frage unter welchen Umständen ein Widerruf möglich ist, nehmen nunmehr solche hinsichtlich der Rechtsfolgenseite ebenfalls zu.

Insbesondere ist die sog. Wertersatzklausel heftig umstritten. Hierbei geht es um die Frage, ob und inwieweit der Käufer im Falle eines Widerrufs die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchsnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu ersetzen hat. Nach dem gesetzlichen Grundsatz (§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB) muss der Käufer für derartige Verschlechterungen keinen Ersatz leisten. § 357 Abs. 3 BGB erlaubt jedoch hiervon eine abweichende Regelung, die jedoch einen Hinweis in Textform auf diese Rechtsfolge spätes-tens bei Vertragsschluss erfordert. Es besteht daher bei Internetaktionen die oben im Rah-men der Widerrufsfrist erläuterte Problematik entsprechend. Auch hier ist ein Hinweis spä-testens bei Vertragsschluss aus denselben Gründen nicht möglich. Verwendet der gewerbliche Verkäufer dennoch diese Wertersatzklausel, so handelt dieser, wie das Landgericht Berlin unlängst entschied (Beschluss v. 15.03.2007 - Az.: 52 O 88/07) gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 312c, 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 357 Abs. 1 und Abs. 3 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV (Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht) wettbewerbswidrig.

Weiterhin wurde von mehreren Gerichten die amtliche Musterwiderrufsbelehrung, welche in Anlage 2 zur BGB-InfoV enthalten ist, als unzureichend erklärt. Sie entspreche nicht den höherrangigen gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (LG Halle, Urteil vom 13.05.2005 - Az.: 1 S 28/05). So ist etwa in dem amtlichen Muster hinsichtlich des Fristbeginns bei Warenlieferungen nicht enthalten, dass die Widerrufsfrist nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger beginnt (§ 355 Abs. 3 Satz 2 BGB). In einer Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes heißt es zu dem Thema zwar, dass bei exakter Widergabe des amtlichen Musters als Widerrufsbelehrung kein Wettbewerbsverstoß vorliegt (Pressemitteilung 42/07 v. 13.04.2007); die Verunsicherungen halten jedoch mangels klarer Vorgaben weiterhin an.

Die vorgenannten Streitpunkte können nur ein Teilspektrum der Schwierigkeiten im gewerblichen Internetauktionshandel aufzeigen. Es wird deutlich, dass zumindest der gewerbliche Verkäufer, der plant in diesem Bereich tätig zu werden gut beraten ist, sich vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit gut beraten zu lassen.

Bereits die Frage, ob ein Verkäufer privat oder bereits gewerblich tätig ist, ist nicht immer einfach zu bestimmen. So hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss v. 21.03.2007 - Az.: 6 W 27/07) entschieden, dass ein Verkäufer, der nach und nach seine private Sammlung über eBay verkauft und dabei etwa 20 - 30 Artikel pro Woche veräußert, durchaus gewerblich handelt. Für ein gewerbliches Handeln ist es nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht erforderlich, dass die verkauften Artikel - bei der Entscheidung handelte es sich um Stempel - zuvor mit der Absicht zur Weiterveräußerung eingekauft wurden. Nach Ansicht des Gerichts war der Bestand der vorhandenen Sammlung (weit über 100.000 Stempel) hinreichend groß, dass allein der Abverkauf des Bestands ohne weitere Neukäufe als Grundlage für ein planmäßiges und auf eine gewisse Dauer ausgelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen und somit als gewerbliches Handeln einzustufen ist. Der Betroffene ist daher Unternehmer und unterliegt somit sämtlichen Hinweispflichten gem. § 1 Abs. 1 BGB-InfoV.

Neben der auf wettbewerbsrechtliche Verstöße überprüften Ersterstellung des Auftritts ist jedoch - aufgrund der Schnelllebigkeit dieses Rechtsgebietes - von Zeit zu Zeit eine erneute Überprüfung ratsam. Ebenso wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist hier die Überprüfung und gegebenenfalls die Anpassung an die geänderten gesetzlichen und auch durch die Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen vorzunehmen.

Rechtsanwalt Nils Reimer

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